Die Plaza de Bib-Rambla, von den Einheimischen liebevoll Bibarrambla genannt, ist einer der ältesten Plätze der Stadt und einer der den meisten Änderungen unterzogen wurde. Der erste Platz der alten Medina Garnata zu Zeiten der Nasriden hat sich über die Jahrhunderte als Hauptplatz Granadas behauptet und war Szenario und stummer Zeuge zugleich von muslimischen Suks, mittelalterlichen Tjosten, Stierkämpfen, öffentlichen Hinrichtungen, Volksfeiern und Prozessionen des Corpus Christi. Wichtiges Zentrum des gesellschaftlichen und kommerziellen Lebens, ist die Bib-Rambla das, was einer Plaza Mayor in Kastilien am nächsten kommt. Heute zeichnet sich der Platz durch seinen großen Brunnen – der Fuente de los Gigantones –, seinen täglichen Blumenmarkt und die zahlreiche Restaurants und Cafeterias aus, wo man eine hier so typische heiße Schokolade mit churros zu sich nehmen kann.
Die andalusische Bib-Rambla: Herz des Suks der Medina
Der arabische Name des Platzes gibt Aufschluss über seinen Ursprung: Bib-Rambla (Sandtor) bezieht sich auf das nahe gelegene sandige Ufer des Darro-Flusses, der zu jener Zeit noch unter freiem Himmel durch das gesamten Zentrum der Medina floss.
Die Puerta de Bib-Rambla, ein Tor, das in den westlichen Teil der Mauer um den Platz eingelassen war, stellten den Haupteingang zu diesem pulsierenden Ort dar, an dem die Kaufleute ihre Produkte an Ständen anboten. Unter den Christen wurde sie später im Volksmund Arco de las Orejas (Bogen der Ohren) genannt, da man annimmt, dass hier jene Körperteile ausgestellt wurden, die den verurteilten Verbrechern abgeschnitten wurden. Ein interessanter Fakt: Obwohl das Tor im letzten Viertel des 19. Jh. demontiert worden war, hat es der Konservator und Architekt der Alhambra Leopoldo Torres Balbás 1933 im Paseo de las Alamedas, der Allee, die zur Nasriden-Festung hinaufführt, wieder aufgebaut, wo es heute zu besichtigen ist.
Die Plaza de Bib-Rambla war zweifellos ein wichtiger Ort, da sie nahe der Hauptmoschee und den kommerziellen Zentren der Medina lag: der calle Zacatín – die noch heute auf der Westseite in den Platz mündet – und dem Viertel La Alcaicería mit seinen engen Gassen. Das ehemalige Zacatín – auf Arabisch „Kleidermarkt“ – war mit Schneidern, Schustern und Färbern gefüllt; heute reihen sich hier kleine Kunsthandwerksgeschäfte und Souvenirläden aneinander. Dasselbe gilt für die Alcaicería, in der die Araber Seide und Gewürze handelten. Das einzige, was von dem ehemaligen Basar überlebt hat sind die Namen einiger Gassen um den Platz herum, die nach Kunsthandwerksberufen benannt sind.
Die Umgestaltung unter den Christen: Die Bib-Rambla wächst nach der Reconquista
Nach der Wiedereroberung Granadas, wollten die Katholischen Könige die Bib-Rambla zu einem Ort der Unterhaltung und Zentrum des gesellschaftlichen Lebens machen. Der Platz war für den Geschmack und Lebensstil der Kastilier jedoch zu eng, sodass er im 16. Jh. umgestaltet und erweitert wurde, bis er die Dimensionen erreichte, die er noch heute hat. So wurde der Platz zum Szenario aller Art von Veranstaltungen: Stierkämpfe, Lanzenstechen, dichterische Spiele, Prozessionen und Corpus-Christi-Feiern … Allerdings fanden auch düsterere wie die Autodafés der Inquisition, öffentliche Hinrichtungen durch Erhängen und Bücherverbrennungen statt. Experten schätzen, dass der Beichtvater der Königin Isabel, Francisco Jiménez de Cisneros, auf der Plaza de Bib-Rambla 80.000 Bücher aus der Bibliothek der Medrese von Granada – der ersten Universität der Stadt – unter dem Vorwand verbrannte, sie seien alle Exemplare des Korans. In Wirklichkeit waren viele von ihnen lediglich literarische Werke in arabischer Sprache.
Von allen im 16. Jh. errichteten Gebäuden auf diesem Platz, das einzige noch erhaltene, an der Nordostseite, ist der ehemalige Sitz der Universität Granada, heute die Curia Eclesiástica Arzobispal de Granada (Erzbischöfliche Kurie Granadas). Das Gebäude viel 1982 zu Weihnachten einem Brand zum Opfer und wurde anschließend wieder aufgebaut.
Bib-Rambla im 21. Jahrhundert: Ein eklektischer Ort, der genossen werden will
Trotz der vielen Brände und Umgestaltungen, die im Laufe der Zeit die Physiognomie des Platzes verändert haben, ist die Plaza de Bib-Rambla eine Kurzfassung der Geschichte Granadas; eine Art Spiegel dessen, was in jeder Epoche der Stadt geschehen ist.
Mitten im 21. Jh. – wenn man es genau betrachtet, ein Augenblick mehr in ihrem langen Leben – wird ihr allgemeiner Anblick von der imposanten Kathedrale bestimmt, die über den Dächern emporragt, sowie von einigen wunderschönen schmiedeeisernen Laternen aus Ende des 19. Jh. und von dem monumentalen Brunnen namens Fuente de los Gigantones. Dieser verdankt seinen Namen den vier grotesk aussehenden Monstern – Darstellungen der Sünden –, die das Steinbecken tragen. Ursprünglich zierte er den Kreuzgang des ehemaligen Klosters von San Agustín, wurde nach der Säkularisierung von Mendizábal im 19. Jh. jedoch in verschiedenen Teilen der Stadt installiert, bis er 1940 zum Herzstück dieses Platzes wurde.
Ohne der Geschichte allzu große Beachtung zu schenken, richten die Besucher von heute ihr Augenmerk lieber auf andere attraktive Optionen der Plaza Bib-Rambla: So kaufen sie Blumen an einem der Stände, lesen ein Buch im Schatten der Linden und nehmen ein paar Tapas oder eine heiße Schokolade mit churros in den zahlreichen Straßencafés und Restaurants zu sich.
Während im Dezember das Ambiente auf diesem Platz dank seines Weihnachtsmarktes und den Maronenständen etwas intimer wird, ist Ende Mai im Rahmen der Tarasca-Prozession, einer Veranstaltung mit Riesen und Dickköpfen zu Corpus Christi, die aus der Zeit der Katholischen Könige stammt, richtig was los. Jedes Jahr spaziert diese berühmte Figur auf einem geflügelten Drachen – die Tarasca – über die Plaza de Bib-Rambla: Eine Allegorie die den Sieg des Guten über dem Bösen symbolisiert und den Platz mit Karossen – den sogenannten carocas –, Karikaturen und Versen füllt, die die wichtigsten Geschehnisse des Jahres satirisch darstellen.
Denn der Platz Bib-Rambla, ein Schmelztiegel der Kulturen, ist von jeher ein Austragungsort der jeweilig herrschenden Traditionen und Gebräuche seiner Bewohner gewesen. Viele geraten in Vergessenheit, andere überleben, aber alle haben auf diesem Platz mit magischem Namen – und Spiegel der tausendjährigen Geschichte Granadas – ihren großen Momente erlebt.