Man kennt die Sierra Nevada als Skigebiet, aber dieses Bergmassiv – das Höchste in Westeuropa nach den Alpen – hat sehr viel mehr zu bieten und kann das ganze Jahr über genossen werden. Einzigartig in diesen südlichen Breitengraden aufgrund seiner Höhe, stellt das fast 170 000 Hektar große weitgehend geschützte Gebiet eine geographische Besonderheit dar, die sich mit dem Ende der Würm-Kaltzeit vor etwa 12 000 Jahren zu bilden begann, als der Temperaturanstieg unzählige Pflanzen- und Tierarten in diesen Bergen isolierte, die man daher eher in nordischen Ländern als im Mittelmeerraum erwarten würde. Deshalb ist die Sierra Nevada heute der Ort mit dem größten biologischen Reichtum der Iberischen Halbinsel und verfügt über Dutzende an endemischen Arten sowie verschiedene Ökosysteme, die sie zu einem Paradies für Wanderer machen. Auf diesen vier klassischen Wanderrouten können Sie sie entdecken.

Wie Indiana Jones durch die Cahorros del Monachil

Nur 8 km südöstlich von Granada befindet sich das Dorf Monachil, von dem aus ein Wanderweg zu den atemberaubenden Schluchten der Cahorros del río Monachil führt. Es ist eine der beliebtesten Routen der Provinz, weil es sich um einen Rundweg mit geringem Schwierigkeitsgrad handelt, der etwa 12 Kilometer lang ist und drei Stunden dauert; deal für Familien mit Kindern. Der schmale Pfad verläuft entlang des Flusses Monachil zwischen bis zu 30 Meter hohen Schluchten, die das Wasser in vielen Jahrhunderten der Erosion herausgearbeitet hat. Das Ergebnis ist ein atemberaubendes Tal, in dem man sich vorkommt wie Indiana Jones, wenn er seine Tunnel, Wasserfälle und alten Hängebrücken durchquert.

Der Wanderweg der Cahorros beginnt etwa 500 Meter von Monachil entfernt, von der Straße aus, die nach El Purche führt. Von dort aus durchwandern wir Landgüter mit Obstbäumen, bis wir die Eras de los Renegles erreichen, wo wir uns entscheiden müssen, ob wir die obere oder die untere Route der Cahorros nehmen möchten. Wenn wir die obere Route wählen, können wir sehr schön das schmale Flussbett zwischen den Schluchten ausmachen. Auch ist es möglich, den Hinweg auf einer Route zu machen und den Rückweg auf der anderen. Wie wir uns auch entscheiden, wir werden an den großen Naturschönheiten dieser Route vorbeikommen, eine unglaubliche 63 m lange Hängebrücke überqueren, die vor einem Jahrhundert gebaut (jedoch kürzlich renoviert) wurde und gebückt unter der engen Cueva de las Palomas (Höhle der Tauben) hindurch schleichen. Der Herbst und der Frühling, in denen der Fluss mehr Wasser führt, sind die schönsten Jahreszeiten für Ausflüge durch die Cahorros del Monachil. Der Sommer hat jedoch den Vorteil, dass man sich in den kühlen Wassern, die vom Pico Veleta hinunter strömen, erfrischen kann.

Auf der Suche nach dem andalusischen Gletscher des Pico del Veleta

Der Aufstieg zum Pico del Veleta, dem zweithöchsten Gipfel der Sierra Nevada mit 3395 Höhenmetern, ist einer der klassischen Wanderwege der Gegend. Diese 12 Kilometer lange Strecke, die in etwa sechs oder sieben Stunden zu bewältigen ist, beginnt an einem Ort, der als Hoyo de la Mora bekannt ist. Hier endet die A-395, die von Granada aus zum Skigebiet Pradollano führt. Als kleine Randbemerkung sei darauf hingewiesen, dass sich hier der Botanische Garten der Universität befindet, wo seit 1965 endemische Arten des Bergmassivs wie etwa die Plantago Nivalis gezüchtet werden, die in den sogenannten Borreguiles wächst, Weideländern des Hochgebirges, die der arktischen Tundra ähneln.

Von der Studentenresidenz aus beginnen wir den Aufstieg den Pfad entlang, bis wir nach kaum mehr als zehn Minuten ein berühmtes Bildnis von Maria im Schnee erreichen. Immer mit der Landschaft des Skigebiets auf der rechten Seite setzen wir unseren Aufstieg fort, bis wir die Gegend erreichen, die als Posiciones del Veleta (Stellungen des Veleta) bekannt ist, von wo aus man den Mulhacén, den Alcazaba und den Corral del Veleta sehen kann. Dieses Gebiet liegt im Schatten des Nordhangs des Berges, wo sich bis zum Jahre 1913, als er vollständig schmolz, der einzige Gletscher Andalusiens befand. Bis jetzt hat sich am Hang ein Permafrost-Bereich mit 13000 Jahre altem Eis gehalten, jedoch haben Wissenschaftler festgestellt, dass es aufgrund des Klimawandels dabei ist, langsam zu schmelzen.

An dieser Stelle – wie an einigen anderen – wird der Weg von einer alten Straße aus dem Jahre 1935 gekreuzt, die direkt zum Gipfel führte und als die höchste Europas galt, bis sie 1999 für den Verkehr gesperrt wurde. Wenn wir hierauf weitergehen, erreichen wir den Gipfel ohne große Mühe und können unsere Heldentat mit einem Foto neben dem Trigonometrischen Punkt verewigen.

Bei der Rückkehr kann man im nahegelegenen Biwak von La Carihuela ein wenig ausruhen und etwas zu sich nehmen, bevor man zu den Posiciones del Veleta zurückkehrt und den Weg zum Parkplatz einschlägt.

Aufstieg zum Mulhacén, dem höchsten Punkt der Iberischen Halbinsel

Der Legende nach wurde der vorletzte Nasriden-König von Granada, Muley Hacén, in diesem Berg begraben, der auf ewig seinen Namen tragen würde. Der höchste Gipfel der Iberischen Halbinsel (3478 m. ü. M.) kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden, aber wir stellen hier die einfachste Route vor, die man mit der ganzen Familie bewältigen kann und die von seinem angenehmen Südhang in der Ortschaft Capileira in den Alpujarras ausgeht. Hier gibt es den Servicio de Interpretación de Altas Cumbres (Informationsdienst Hochgebirge), der zweimal am Tag einen Kleinbus mit Fremdenführer zur Verfügung stellt, der uns bis zum Alto del Chorrillo auf 2600 Metern Höhe bringt. An diesem Punkt beginnt der Fußweg – etwa 12 Kilometer hin und zurück -, der zum Gipfel des Mulhacén führt. Auf dem Weg können wir die Aussicht auf den nahe gelegenen Pico Veleta genießen und sicher treffen wir auch auf einige Bergziegen, die unumstrittenen Stars der Fauna der Sierra Nevada, bevor wir den Trigonometrischen Punkt vom Mulhacen II oder auch Falschen Mulhacén erreichen, der schon so manch einem Wanderer falsche Hoffnungen gemacht hat.

In Wirklichkeit müssen wir auf der Cañada de Borreguiles weitergehen, die uns zum wahren Gipfel bringen wird. Der Bergsee Laguna de la Caldera, der schon bald auf der linken Seite des Weges erscheint, zeigt uns an, dass es nicht mehr weit ist. Es ist empfehlenswert, den Aufstieg zum Mulhacén im Sommer zu machen, wenn auf dieser Höhe zwar ein bisschen ewiger Schnee liegt, aber nicht die große Menge, die in den Wintermonaten die Route erschwert und eine Hochgebirgsausrüstung erforderlich macht.

Haben wir den Gipfel einmal erreicht, empfängt uns am Fuße des Trigonometrischen Punktes – des höchsten der Iberischen Halbinsel – eine kleine Kapelle mit dem Bild der Maria im Schnee, wo die Bergsteiger ihre Tücher und Fahnen hinterlassen. An klaren Tagen reicht der Blick bis zum Mittelmeer und zur afrikanischen Küste. Hier, so die Legende, erfüllte Zoraida, die kastilische Geliebte des vorletzten Nasriden-Sultans, den letzten Willen von Muley Hacén: in der Sierra Nevada begraben zu werden. Das königliche Grab wurde allerdings nie gefunden.

Die Vereda de la Estrella, die Route der alten Minen

Die Vereda de la Estrella, eine alte Route, die die verschiedenen Minen miteinander verband, die seit der Zeit der Araber im Tale des Flusses Genil in Betrieb waren, ist der schönste Wanderweg der Sierra Nevada. Hier, wo heute Spaziergänger und Naturliebhaber ihre Freizeit verbringen, fuhren seit dem späten 19. Jahrhundert, als der Weg angelegt wurde, Wagen, die Pyrit und andere Mineralien transportierten. Der Bergbau ging zurück, als in 1974 der Betrieb der Überlandstraßenbahn eingestellt wurde, die Granada mit der Schlucht von San Juan verband, wo die Vereda de la Estrella beginnt. Zurück blieb der Weg, traurig und verlassen, bis die Freunde des Wandersports ihm neues Leben einhauchten, diesmal, um in eine der beeindruckendsten Landschaften der Sierra Nevada im Schatten der Nordwände des Mulhacén, des Veleta und des Alcazaba einzudringen, die mit ihrem beinah ewigen Schnee ein Bild bieten, das so gar nicht nach Süd-Andalusien aussieht.

Der Weg – etwa 18 Kilometer hin und zurück – beginnt auf dem Parkplatz des Ausflugslokals „Barranco de San Juan“ und verläuft parallel zum Fluss Genil durch Eichen- und Kastanienwälder. Nach drei Kilometern treffen wir auf den „Großvater“, eine hundertjährige Kastanie, die bei Wanderern bekannt ist. Wir gehen weiter vorbei an alten Minen wie „La Estrella“ – Namensgeberin des Pfades -, „La Probadora“ und „La Justicia“. Schließlich erreichen wir die Wiese von la Angostura del Real, wo drei Bäche zusammenlaufen und es möglich ist, ein Bad zu nehmen, wenn die Hitze drückend wird. Ab diesem Punkt folgt der Weg dem Lauf des Flusses durch die Schlucht von Valdeinfierno, bis er die Cueva Secreta (geheime Höhle) erreicht, einen natürlichen Zufluchtsort unter einem Stein, der früher als Unterstand für die Hirten diente. Obwohl es möglich ist, bis zur Laguna de la Mosca weiter zu gehen, sollte man die Route hier lieber beenden, da der Weg von diesem Punkt an steiler und gewundener wird, je weiter man in die Ausläufer des Mulhacén eindringt. Auch die Dauer der Wanderung könnte hierdurch zu lang werden.