Kuba: Kultur und Identität eines durch und durch gemischten Volkes
Die Musik, die Farben, die Lebensfreude: Die kubanische Kultur übt eine unwiderstehliche Faszination auf Reisende aus aller Welt aus. Das Geheimnis hinter dieser anziehenden Lebensart ist eindeutig: eine einzigartige Mischung der Kulturen
Der berühmte kubanische Anthropologe Fernando Ortiz verglich Kubas Kultur einst mit dem traditionellen Gericht Ajiaco. Dies ist ein Eintopf, in den je nach Jahreszeit immer das geworfen wurde, was gerade zur Hand war, von Wurzeln, Kräutern und Gemüse bis hin zu Reptilien, Vögeln, Fischen und sogar Insekten. Das alles wurde reichlich mit Chili gewürzt, um alle seltsamen Geschmäcke zu überdecken, daher der Name des Gerichtes (Ají ist in Kuba das Wort für Chili). Es wurde immer nur so viel entnommen, wie gerade gebraucht wurde, der Rest blieb im Topf, und so bildete sich am Boden ein Sud verschiedenster Substanzen. Genauso verhält es sich mit den Kubanern und ihrer Kultur. Verschiedenste Zutaten habe eine gut gewürzte Mischung geschaffen, die den einzigartigen Charakter der Kubaner ausmacht.
Verschiedenste Zutaten habe eine gut gewürzte Mischung geschaffen, die den einzigartigen Charakter der Kubaner ausmacht
Vier dieser Zutaten haben in Kuba Kultur und Identität besonders geprägt: die Taínos (die größte Gruppe der Ureinwohner Kubas), die Spanier, verschiedene afrikanische Völker (insbesondere die Yoruba) und die Chinesen, die als letztes zur metaphorischen Suppe dazugekommen sind. Entdecke die Spuren all dieser Völker bei deinem nächsten Urlaub in Kuba.
Kuba ist in jeder Hinsicht bunt
Die Taínos: die Ureinwohner Kubas
Lange Zeit haben uns die Geschichtsbücher erzählt, dass die Ureinwohner der Antillen kurz nach der Eroberung aufgrund eingeschleppter Seuchen und harter Arbeit ausgestorben wären und somit nur einen geringen Einfluss auf die Kultur Kubas und anderer karibischer Länder gehabt hätten. Heute weiß man jedoch, dass diese Darstellung der Geschichte nicht der Wahrheit entspricht.
Die Taíno-Kultur ist eine lebendige Kultur
Bis in die heutige Zeit hinein hat es auf Kuba und anderen karibischen Inseln immer Menschen gegeben, die sich selber als „Indianer“, insbesondere als Taínos, identifiziert haben. Es ist nur so, dass sie irgendwann aus den Volkszählungen verschwunden sind. Das hatte verschiedene Gründe. Zum einen wurde bereits relativ früh die Versklavung der amerikanischen Ureinwohner von der spanischen Krone verboten, nicht jedoch die der eingeschleppten Sklaven aus Afrika. Um dieses Verbot zu umgehen, ließen viele Grundbesitzer ihre Sklaven kurzerhand als „Schwarze“ eintragen, obwohl es sich in Wirklichkeit um Taínos handelte.
Um dieses Verbot zu umgehen, ließen viele Grundbesitzer ihre Sklaven kurzerhand als „Schwarze“ eintragen, obwohl es sich in Wirklichkeit um Taínos handelte
Zum anderen hat im Laufe der Zeit eine kulturelle Assimilation stattgefunden. Die Taínos lernten Spanisch und passten sich an die Kultur der Eroberer an. Viele flohen jedoch auch in die versteckten Bergregionen und pflegten dort weiter ihre Traditionen. So werden in den Bergen von Kuba noch immer traditionelle Anbaumethoden der Taínos und jahrtausendealte Rituale wie das Verbrennen der Tabakblätter, um mit Mutter Erde in Kontakt zu treten, gepflegt.
„Cuba indígena“: Die Beanspruchung des kulturellen Erbes der Taínos
Ein gigantisches wissenschaftlich-kulturelles Projekt hat in den letzten Jahrzehnten das indigene Erbe Kubas unter anderem mit genetischen Studien erforscht und festgestellt, dass tatsächlich ein bedeutender Teil der Kubaner von Ureinwohnern der Insel abstammen. Parallel dazu haben jene Menschen, die sich selber seit Generationen ununterbrochen als Taínos identifiziert haben, damit begonnen, sich in Vereinigungen wie Higuayagua zu organisieren und den Platz in der Geschichte zu beanspruchen, der ihnen geraubt wurde. Eines ist klar: Der Einfluss der Ureinwohner auf die kubanische Kultur ist sehr viel größer, als lange Zeit angenommen, und muss aufgrund der neuen Forschungsergebnisse neu interpretiert werden.
Die historischen Taínos entwickelten eine charakteristische Bildhauerkunst
Die Spanier und andere europäische Einflüsse in der kubanischen Kultur
Von allen europäischen Nationen sind es selbstverständlich die Spanier gewesen, die am meisten die Kultur in Kuba geprägt haben. Man darf nicht vergessen, dass Kuba bis 1898 eine spanische Kolonie war. Sie war damit eine der letzten, die ihre (relative) Unabhängigkeit erhielten. Nach 1898 fiel sie jedoch zunächst unter den Einfluss der USA bis zum Ausbruch der kubanischen Revolution.
Sprache und Literatur auf Kuba
Der wichtigste Import der Spanier war die Sprache. In ganz Kuba wird heute Spanisch gesprochen, und zwar in einem Dialekt, der von Muttersprachlern als äußerst sympathisch empfunden wird. Er basiert auf dem Andalusischen, da die ersten Siedler der Region aus Andalusien stammten, hat aber auch einen (leichten) Einfluss verschiedener afrikanischer und indigener Sprachen erhalten. In dieser Sprache hat sich auf der Insel eine herausragende, eigenständige kubanische Literatur entwickelt, mit bedeutenden Schriftstellern wie José Martí, Alejo Carpentier oder Nicolás Guillén.
Christlicher Glauben, Architektur und Kunst in Kuba
Ein weiteres wichtiges Importprodukt war der christliche Glauben, der allerdings mit dem Glauben der Ureinwohner und vor allem mit den afrikanischen Religionen (s. u.) zu verschiedenen synkretischen Religionen verschmolzen ist. Zahlreiche Kirchen aus der Kolonialzeit wie die Iglesia del Espíritu Santo in Havanna zeugen von diesem spirituellen Erbe. Und überhaupt ist die Architektur ein weiteres wichtiges Zeugnis der spanischen Kultur in Kuba. Kolonialstädte wie Trinidad oder Cienfuegos mit ihrer wunderschönen, gut erhaltenen Architektur gehören heute zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten des Landes. Neben ihrer Kunst und Architektur brachten die Spanier aber auch ihre Musik und vor allem ihre Musikinstrumente mit, wie die Gitarre, die insbesondere im Son Cubano eine wichtige Rolle spielen sollte (s.u.).
Der Palacio del Valle in der Kolonialstadt Cienfuegos
Der afrikanische Einfluss in Kuba: Kultur der Yoruba und anderer Völker Westafrikas
Das afrikanische Erbe in Kubas Kultur kann nicht genug unterstrichen werden. Die Sklaven, die über die Jahrhunderte nach Kuba verschleppt wurden, stammten vor allem aus Westafrika und gehörten verschiedenen Ethnien an, worunter die Yoruba, die Mandinka, die Bakongo oder die Wolof. Eine Besonderheit der Sklaverei auf den Antillen war es, dass die Ethnien nicht gezielt voneinander getrennt wurden, wie zum Beispiel in den USA der Fall war.
Eine Besonderheit der Sklaverei auf den wir Antillen war es, dass die Ethnien nicht gezielt voneinander getrennt wurden, wie zum Beispiel in den USA der Fall war
So lebten vielerorts Menschen derselben Ethnie zusammen und konnten auf diese Weise viel mehr von ihrer eigenen Kultur und sogar ihrer Sprache bewahren als andernorts. Sie fabrizierten weiterhin ihre traditionellen Musikinstrumente und spielten weiterhin ihre Rhythmen und ihre Musik. So wurden unter anderem verschiedene Trommelsprachen nach Kuba exportiert und von den Sklaven verwendet, um geheim miteinander zu kommunizieren (ein Grund übrigens, warum alle afrikanischen Instrumente in den USA gleich verboten wurden).
Afrikanische Kunst und Religion in Kuba
Auch ihre Götter brachten die afrikanischen Sklaven mit. Insbesondere die Religion der Yoruba ist auf Kuba sehr verbreitet. Sie ist allerdings mit dem Katholizismus zu einer Art synkretischer Religion verschmolzen, die anfänglich abwertend als Santería bezeichnet wurde, heute jedoch auch nicht selten von europäisch-stämmigen Kubanern praktiziert wird. Und auch in der Kunst und der Literatur ist der afrikanische Einfluss in der Kultur Kubas tief verwurzelt. Ein Beispiel ist die Poesie des kubanischen Dichters Nicolás Guillén, der die mündliche Überlieferung der Afrokubaner mit der schriftlichen Tradition der spanischen Dichtung verband.
Der afrikanische Einfluss in Kuba ist auch an der Kleidung zu erkennen
Chinesische Kultur in Kuba
Die Chinesen kamen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in verschiedenen mehr oder weniger großen Einwanderungswellen ins Land. Ausgangspunkt dieser Immigration war das Verbot der Sklaverei im Jahre 1847. Als Ersatz für die Sklaven holte man in Lateinamerika billige Arbeitskräfte aus Asien, die so genannten Kulis. Im Falle von Kuba waren das praktisch ausnahmslos Chinesen, und innerhalb von nur 40 Jahren kamen rund 150.000 chinesische Kulis ins Land, 10 % der damaligen Bevölkerung Kubas. Es handelte sich fast ausschließlich um Männer, die auf Kuba meist Ehen mit afrikanisch-stämmigen Frauen eingingen. Die Nachfahren dieser Verbindungen, die man noch heute an ihren charakteristischen Gesichtszügen erkennt, haben viele Elemente der chinesischen Kultur in Kuba bewahrt und betreiben auch verschiedene Vereinigungen, um die chinesisch-kubanische Kultur zu erhalten.
Beim kubanischen Karneval kommen traditionelle chinesische Flöten zum Einsatz
Eine der kubanischen Traditionen, bei denen man den chinesischen Einfluss erkennen kann, ist zum Beispiel der Karneval, bei dem die traditionellen chinesischen Flöten zum Einsatz kommen, die von den Kulis ins Land gebracht wurden.
Chinatown in Havanna
Ein Muss, um die chinesische Kultur in Kuba zu entdecken, ist auch ein Besuch im Chinatown von Havanna. Einst das größte chinesische Viertel Lateinamerikas und das zweitwichtigste der Welt (nach dem Chinatown von San Francisco), liegt die große Blütezeit dieses Viertels zwar lange zurück, aber in den letzten Jahrzehnten sind sehr viele der historischen Gebäude restauriert worden und kann man hier einen besonders schönen Eindruck von diesem wichtigen kulturellen Einfluss in Kuba erhalten.
Der Eingang zum chinesischen Viertel von Havanna
Die kubanische Musik: das wichtigste kulturelle Produkt der Insel
Bei kubanischer Kultur denken viele wohl als erstes an Musik. Und das ist kein Klischee, denn es handelt sich wirklich um die herausragendste Errungenschaft der kubanischen Kultur, die auch weltweit den größten Einfluss gehabt hat. Kubanische Rhythmen wie der Son Montuno oder der Guaguancó wurden von den kubanischen Auswanderern in den sechziger Jahren mit in die USA genommen, insbesondere nach New York, und bildeten dort die Basis für berühmte Musikstile wie Salsa oder Latin Jazz. Die einzigartige Verschmelzung von afrikanischen Rhythmen und Melodien mit europäischen Harmonie-Instrumenten hat eine unwiderstehliche Mischung geschaffen, zu der Menschen rund um den Globus das Tanzbein schwingen.
Es ist schlicht unglaublich, wie viel musikalische Kultur Kuba zu bieten hat
Dies ist aber nur die bekannteste Seite der kubanischen Musik. Es ist schlicht unglaublich, wie viel musikalische Kultur Kuba zu bieten hat. So werden auf der Insel noch viele andere traditionelle Musikstile gepflegt, die international nicht so bekannt geworden sind, wie zum Beispiel der wunderschöne Changüí, der von dem kuriosen Instrument der Marimbula begleitet wird. Zudem hat sich die Musik auf Kuba nach der kubanischen Revolution lange Zeit relativ unabhängig von der restlichen lateinamerikanischen Musik entwickelt, was zur Entstehung von besonderen Musikstilen wie Songo der Timba geführt hat, die sich ziemlich von dem unterscheiden, was normalerweise als „Salsa“ bezeichnet wird. Die kubanische Musik ist also eine Welt für sich, und eines ist klar: Bei einem Urlaub im Land solltest du dir auf keinen Fall diesen Aspekt der kubanischen Kultur entgehen lassen!
Traditionelles musikalisches Trio mit Gitarre, Tres und Clave