Tagundnachtgleiche in Chichén Itzá: ein wahrhaft magischer Moment

Zweimal im Jahr zur Tagundnachtgleiche im März und September findet in der Maya-Stätte von Chichén Itzá ein beeindruckendes Schauspiel statt: An der Pyramide des Kukulcán steigt der Schatten des gefiederten Schlangengottes zur Erde herab

Tagundnachtgleiche Chichén Itzá: die Maya-Stätte aus der Luft gesehen.
Inhaltsübersicht
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Es ist wieder soweit: Um den 23. September herum sammeln sich wie jedes Jahr Hunderte von Touristen zur Tagundnachtgleiche in Chichén Itzá, um einem mystischen Schauspiel beizuwohnen: An der Nord-Nordost-Flanke der großen Pyramide des Kukulcán – auch “El Castillo“ genannt –, die in einem riesigen Schlangenkopf endet, bildet sich nach und nach ein wellenförmiger Schatten, ganz so, als würde eine gigantische Schlange zur Erde hinuntergleiten. Denn dieser magische Tempel ist der Gottheit Kukulcán geweiht, die von den Mayas und anderen mesoamerikanischen Kulturen in Form einer gefiederten Schlange dargestellt wurde. Wie entsteht dieses faszinierende Phänomen und was soll es symbolisieren? Und vor allem: Wie kannst du beim nächsten Mal dabei sein? 

Was ist Chichén Itzá?

Chichén Itzá ist eine der wichtigsten archäologischen Fundstätten der Maya-Kultur, Weltkulturerbe der UNESCO und eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten der Halbinsel von Yucatan. Die Stadt wurde um 250 n. Chr. vom legendären Volk der Maya-Itzá gegründet und die meisten ihrer heute erhaltenen Gebäude stammen aus der sogenannten spätklassischen Epoche der Maya (800 – 1.100 n. Chr.). Chichén Itzá hat jedoch auch deutliche Einflüsse von anderen mesoamerikanischen Kulturen wie den Tolteken erfahren. 

2 Zur Zeit der spanischen Eroberung war Chichén Itzá noch immer ein wichtiges kulturelles und religiöses Zentrum, zu dem die Mayas aus dem Umland pilgerten

Zur Zeit der spanischen Eroberung war Chichén Itzá noch immer ein wichtiges kulturelles und religiöses Zentrum, zu dem die Mayas aus dem Umland pilgerten. Im Laufe der Jahrhunderte geriet die Stadt jedoch in Vergessenheit und wurde vom Dschungel überwuchert. Erst im 19. Jahrhundert wurde sie wiederentdeckt und begann man langsam mit der Restaurierung und Forschung. Noch immer birgt die Stätte viele unerklärliche Mysterien und Geheimnisse.

Tagundnachtgleiche Chichén Itzá: Pyramide des Kukulcán.

"El Castillo": Die Pyramide des Kukulcán ist das wichtigste Bauwerk der Maya-Stätte Chichén Itzá

Die Pyramide des Kukulcán: ein gigantischer Kalender

Der Maya-Kalender

Es ist bekannt, dass die Maya ausgezeichnete Mathematiker, Astronomen und Architekten waren. Ihre großartigen Kenntnisse der Bewegung der Himmelskörper schlug sich nicht nur in ihrem besonders präzisen und komplizierteren Kalender nieder, sondern wurde auch auf ihre Bauwerke, insbesondere auf die Tempel projiziert. Die Maya verwendeten verschiedene Kalender, deren Kombination durch Multiplikation besonders lange Zyklen hervorbrachte. Der Sonnenkalender (Haab) bestand aus 18 Monaten (Uinal) mit 20 Tagen (Kin), die insgesamt 360 Tage ergaben. Dazu kamen 5 namenlose oder „Unglückstage“ (Uayeb), so dass der Haab insgesamt aus 365 Tagen bestand. Der rituelle Kalender der Maya wurde Tzolkin genannt und bestand aus 260 Tagen.

Die Umsetzung an der Pyramide des Kukulcán

Die Pyramide des Kukulcán, das wichtigste Gebäude von Chichén Itzá, ist eines der eindrucksvollsten Beispiele für den Einfluss des Kalenders auf die Architektur der Maya. Die Anzahl der Stufen auf jeder der vier Seiten der Pyramide beträgt 91: 4 × 91 = 364. Wenn man die oberste Plattform dazu zählt, erhält man 365. 

Die Pyramide des Kukulcán ist eines der eindrucksvollsten Beispiele für den Einfluss des Kalenders auf die Architektur der Maya

Das ist aber längst nicht alles! Wenn man Haab und Tzolkin miteinander multipliziert, erhält man einen Zyklus von 52 Jahren. Diese Zahl erhält man an der Pyramide durch die Multiplikation und Addition der Platten an der Überhöhung auf der einen und anderen Seite. Die Pyramide ist außerdem mit 260 gleichmäßig verteilten rechteckigen Blöcken verziert (die die Zahl der Tage des Tzolkin symbolisieren). Und so weiter und so fort. Kein einziges Detail dieser Pyramide wurde dem Zufall überlassen. Jede Stufe, jede Verzierung, jede Linie spiegelt ein Konzept des Kalenders wieder. 

Der Tempel des Kukulcán in der Dämmerung

Was genau geschieht zur Tagundnachtgleiche an der Pyramide des Kukulcán

Der Moment der Tagundnachtgleiche

Die Tagundnachtgleiche – auch Äquinoktium genannt – ist der Moment, wenn die Sonne genau über einem der beiden Wendekreise steht und der Tag und die Nacht genau gleich lang sind. Dies geschieht je nach Jahr am 19., 20. oder 21. März und am 22., 23. oder 24. September. Die Tagundnachtgleiche über dem nördlichen Wendekreis (im März) markiert auf der Nordhalbkugel den Frühlingsanfang, während die Tagundnachtgleiche im September den Herbstanfang einläutet. Für Kulturen wie die Maya, die auf dem Landbau basierten und genauestens den Agrarzyklus überwachten, waren diese Momente besonders wichtig. 

Die gefiederte Schlange Kukulcán

Die Pyramide des Kukulcán in Chichén Itzá ist so entworfen, dass an den Tagen um die Tagundnachtgleiche ein Schatten in Form von abgerundeten, umgedrehten Dreiecken von den Kanten der Plattformen der West-Nordwestseite auf die Brüstung der Treppe der Nord-Nordostseite der Pyramide geworfen wird, die in einem Schlangenkopf endet. Es sieht so aus, als würde der Schlangengott Kukulcán zur Erde herabsteigen, um diese für die nächste Erntesaison fruchtbar zu machen. 

Es sieht so aus, als würde der Schlangengott Kukulcán zur Erde herabsteigen, um diese für die nächste Erntesaison fruchtbar zu machen

Der Effekt ist kurz vor Sonnenuntergang zu sehen. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit war er früher auf der gegenüberliegenden Seite der Pyramide auch im Morgengrauen zu sehen, so dass es so aussah, als ob die Schlange auf der einen Seite den Tempel hinaufkroch und auf der anderen Seite wieder hinunter. Allerdings ist die südliche Seite der Pyramide nicht in einem sehr guten Zustand erhalten, so dass dies heute nicht mehr nachzuprüfen ist.

Tagundnachtgleiche Chichén Itzá: Detailansicht des Tempels

Detailansicht der Pyramide des Kukulcán

Andere optische und akustische Phänomene an der Pyramide des Kukulcán

Sonnenwende und Zenitstand der Sonne

Das Herabsteigen der gefiederten Schlange ist nicht das einzige Phänomen, das an der Pyramide des Kukulcán zu beobachten ist. So gibt es an den Tagen der Sonnenwende einen Moment, an dem genau eine Hälfte der Pyramide erleuchtet ist, und die andere Hälfte vollkommen im Schatten liegt. An den Tagen des Zenitstands der Sonne wiederum zeigt die Sonne im Morgengrauen vom Gipfel der Pyramide aus gesehen genau auf einen anderen Tempel von Chichén Itzá, den Tempel des Großen Opfertisches, und bei Sonnenuntergang auf den Eingang des heiligen Cenote Holtún

Akustischer Effekt der Pyramide des Kukulcán: der Gesang des Quetzal

Einer der spektakulärsten Effekte der Pyramide des Kukulcán ist jedoch ein akustischer. Die Maya sind auch dafür bekannt, akustische Elemente in ihre gewaltigen Bauten mit einzubeziehen.

Einer der spektakulärsten Effekte der Pyramide des Kukulcán ist ein akustischer

Im Falle von Chichén Itzá haben sie dies auf folgende Weise getan: Wenn man sich genau vor die Treppe an der Nordflanke der Pyramide stellt und in die Hände klatscht, wird ein Echo erzeugt, das genauso klingt wie der Ruf des Quetzal, des heiligen Vogels der Maya! Diesen Effekt zu erzeugen muss wohl noch schwieriger gewesen sein als den Effekt der herabsteigenden Schlange.

Tagundnachtgleiche Chichén Itzá: die Maya-Stätte bei Nacht.

Bei Nacht erscheint die Maya-Stätte fast noch magischer

September oder März: Wann erlebt man am besten die Tagundnachtgleiche in Chichén Itzá?

Der Effekt der herabsteigenden Schlange ist an der Tagundnachtgleiche im März und September identisch. Allerdings gilt der September nicht als ideale Reisezeit für die Karibik, da es zu dieser Zeit Hurrikane geben kann. Zudem ist das Wetter generell regnerischer und somit ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass der Himmel am entscheidenden Tag bewölkt ist und das Phänomen gar nicht oder weniger gut zu sehen ist. Im März ist man da auf der sichereren Seite, der Andrang an Touristen ist aber natürlich auch größer. Generell ist es gut zu wissen, dass es nicht genau der Tag des Äquinoktiums sein muss. Das Phänomen ist etwa fünf Tage vor und nach der Tagundnachtgleiche in Chichén Itzá gut zu sehen.

Wie erreicht man Chichén Itzá?

Die Maya-Stätte von Chichén Itzá liegt etwa zweieinhalb Stunden entfernt von den wichtigsten Urlaubsorten der Riviera Maya im Bundesstaat Yucatán. Die Fahrt ist nicht schwierig und lohnt sich auf alle Fälle, insbesondere zur Tagundnachtgleiche! Am bequemsten und sichersten ist es, eine der vielen Touren zu buchen, die zu diesem magischen Ort angeboten werden. Insbesondere, weil zu bedenken ist, dass der Rückweg nach dem Sonnenuntergang natürlich teilweise in der Dunkelheit zurückgelegt werden muss. An sternenklaren Nächten sind in Chichén Itzá übrigens auch verschiedene Phänomene zu beobachten, aber das ist eine andere Geschichte...


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